Malawi

Malawi – das erste Land unserer Reise, in dem wir noch nie waren. Welche Erwartungen haben wir? Wir haben schon ein komisches Gefühl, als Touristen in eines der ärmsten Länder der Welt zu fahren. Außerdem muss ich immer an mein Buch mit medizinischen Fall-Berichten aus tropischen Ländern denken, das ich 2021 zur Vorbereitung auf meine Arbeit für Ärzte ohne Grenzen im Südsudan gelesen habe. Die allermeisten Fälle wurden aus Malawi berichtet, also beschleicht uns ein mulmiges Gefühl, in einen offensichtlichen Herd aller möglicher gruseliger tropischer Krankheiten zu reisen.

Der Grenzübertritt macht schon mal einen eher anderen Eindruck: ein neues, großes Gebäude mit ruhiger Atmosphäre, allerdings kaum Einreisende, wir sind in der Halle praktisch alleine. Also traut sich doch kaum jemand hierher? Wir haben auf die Frage des Beamten am Immigration Schalter nach einem e-Visum keines vorzulegen, da die Beantragung per Internet immer die Angabe eines Fluges voraussetzte. Wir sind also offensichtlich Exoten, von der malawischen IT nicht vorgesehen. Aber für den Grenzbeamten war es nach unserer Angabe, die Botschaft hätte auf telefonische Anfrage mitgeteilt, wir müssten bei Einreise über Land das Visum am Grenzübergang beantragen (flunker!), kein Problem, uns Visa für 50 US$ pro Kopf auszustellen (der US Dollar scheint nach unseren Erfahrungen hier in Afrika eine bevorzugte Währung zu sein, gut, dass wir so einige Scheinchen dabeihaben). Im Anschluss müssen wir noch Straßengebühren an einem anderen Schalter bezahlen. Der Beamte fragt uns nach unserer Route, sodass wir ihm mitteilen, am heutigen Abend zur Hauptstadt Lilongwe, danach kreuz und quer durch´s Land und am Ende Ausreise über den Songwe Border Post im Norden. Brav trägt der Beamte in die Gebühren-Quittung ein: Lilongwe – Songwe, wir werden noch sehen, wohin das führen wird. Anschließend bezahlen wir noch eine Auto-Haftpflichtversicherung, und los geht´s. Der erste Eindruck zeigt uns gleich zwei Welten, die aufeinandertreffen: große, schwer beladene LKW und Ochsenkarren Seit an Seit.

Wir sind relativ spät dran, auch wenn es an der Grenze kürzer gedauert hat als erwartet, sodass wir in die Dunkelheit kommen, was ich gar nicht gerne in Afrika mache (wie bereits im Namibia-Teil berichtet). Dann kommt die erste Polizeikontrolle, vor uns ein schwer beladener geschlossener Laster. Die Polizei will die Ladung kontrollieren, die Öffnung der Hecktüren ist erstaunlicher Weise nur ganz oben möglich, sodass der Fahrer zu unserer Unterhaltung eine bergsteigerische Einlage vom Feinsten hinlegt, auch zur Zufriedenheit der Polizei.

Dann kommt eine Polizistin zu uns an Birgit´s Beifahrerseite, da wir ja für die Leute hier ein ungewöhnliches Linkssteuer haben (ach ja, ich habe glaube ich vergessen zu sagen, dass in der gesamten südlichen Afrika-Hälfte Linksverkehr herrscht). Als die Beamtin mitgeteilt bekommt, wir seien aus Deutschland, entspinnt sich ein äußerst freundliches Gespräch ohne weiteren Check des Fahrzeugs, wonach die nette Frau sich strahlend mit den Worten verabschiedet, sie habe jetzt Freunde in Deutschland! Wie wir noch öfter sehen werden, ist das Freundschaftenschließen in Afrika gar nicht so schwierig. Weiter geht es recht anstrengend in der Dunkelheit bis kurz vor die Hauptstadt Lilongwe, wo wir über eine ruckelige Piste etwas abseits der Hauptstraße die schöne Barefoot (!) Lodge mit Campingplatz (und Bar!) aufsuchen (i Overlander sei Dank), geführt von einem freundlichen weißen Südafrikaner, der an Freundlichkeit allerdings noch von seinem schwarzen Barkeeper getoppt wird.

Am nächsten Tag fahren wir früh los, wir wollen zum Südende des Malawi-Sees, UNESCO Weltnaturerbe. Erstmal müssen wir allerdings durch die Hauptstadt Lilongwe, ein Menschen- und Fahrzeuggewimmel. An Kreuzungen, wo die Fahrzeuge halten müssen, stehen bettelnde Behinderte. Da sitzt man dann in seinem Auto und fühlt sich ziemlich beschissen.

   

Der Verkehr quält sich durch die gesamte Stadt. Eine große und prächtige Moschee zeigt an, dass hier ein relevanter Teil der Bevölkerung muslimisch ist.

Am Straßenrand gibt es alles Mögliche und Unmögliche zu kaufen, bis hin zu Säulen und Grabsteinen.


Das hat nun doch länger gedauert als gedacht. Also Tempo, wir wollen im Hellen ans Ziel. Haha! Die nächste Polizeikontrolle kommt bestimmt. Diesmal werden die Papiere geprüft. Dabei stellt der Beamte fest, dass wir hier gar nicht fahren können. Wie bitte? Jetzt rächt sich die Unkenntnis der Straßengebühren-Quittungs-Eintragung. Da der Mensch an der Grenze unsere Angabe Lilongwe – kreuz und quer durchs Land – Songwe Grenzposten um den mittleren Teil gekürzt hat, müssen wir nach Angabe des Polizisten den direkten Weg von Lilongwe nach Songwe nehmen, was ja im Norden liegt und nicht im Süden, wohin wir unterwegs sind. Puh! Was für Regeln. Der Beamte meint, es wäre aber kein Problem, wir müssen nur zur Zentrale der Malawi Revenue Agency (MRA) zur Hauptstadt zurückfahren. Na super! Aber das Gebäude liege am Rande der Stadt, die Veränderung des Dokuments koste auch nichts. Er erklärt uns den Weg, der uns irgendwo in die Pampa führt, in einem Dorf mit kaum noch fahrbarer Piste geben wir auf und entscheiden, einen Joker zu setzen: wir fahren einfach weiter in der Hoffnung auf keine neue Kontrolle. Pustekuchen! Es naht eine Gebührenstelle, wo man den geringen Beitrag von 4000 Kwacha (ca. 3,5 Euro) zahlen muss, wir sind also zunächst gar nicht beunruhigt.

Die Dame an der Kasse meint dann freundlich, aber bestimmt: Sie dürfen hier nicht fahren. Wir mögen warten, sie rufe ihren Vorgesetzten. Es naht ein freundlicher junger Mann, der zwar unsere Notlage anerkennt, aber uns trotzdem nicht passieren lassen will oder kann. Wie schon früher erwähnt, in Afrika muss man sich Zeit zum Gespräch nehmen, höflich bleiben und Respekt zeigen. Diesmal versuche ich die Variante des an Malawi interessierten Touristen, der nun natürlich enttäuscht ist und zu Hause von Malawi Besuchen abraten muss, damit nicht andere Gäste in diese missliche Lage kommen, dies natürlich äußerst freundlich-respektvoll und mit tiefstem Bedauern formuliert. Das nun ist dem jungen Mann offensichtlich gar nicht recht, äußert er doch großes Interesse an ausländischen Besuchern im Interesse seines Landes. Na, immerhin. Er eilt hinfort in ein Büro, durchs Fenster sehen wir ihn länger telefonieren. Als er zurückkommt, macht er einen zufriedenen Eindruck. Ob wir ein Carnet de Passages hätten? Natürlich, haben wir, teilen wir ihm mit, anders wären wir ja gar nicht ins Land gekommen. (Ein Carnet des Passages ist ein Zolldokument, das den Zollgebühren-freien vorübergehenden Import eines Fahrzeugs erlaubt. Es soll wohl illegale Verkäufe verhindern, ist ein Jahr gültig und wird vom Auslandsdienst des ADAC in München ausgestellt. Dazu muss man eine vom Wert des Wagens abhängige Kaution hinterlegen, was im Falle unseres LKW immerhin 25.000 Euro sind.) Das sei großartig meint er. Dafür hätten wir ja eine große Summe bezahlt (Stimmt! 230 bzw. inzwischen 250 Euro/Jahr), was wir mit traurigem Blick bestätigen. Und ich glaube meinen Ohren nicht zu trauen, als er meint, damit wäre alles bezahlt, sogar die 4000 Kwacha, und wir dürften überall fahren. Es geht nichts über Lösungs-orientierte Menschen. Dankbar winken wir ihm freundlich bei der Weiterfahrt zu. Nun aber Tempo in Anbetracht der drohenden Dunkelheit. Haha! Es folgt erstmal ein sehr schöner Bergpass mit Serpentinen, die den Geschwindigkeitsschnitt weiter drosseln.

Dann sehen wir in einer unübersichtlichen Kurve etliche grün belaubte Äste auf der Straße liegen. Hierzu muss man als Ausländer wissen, dass man zwei Warndreiecke mitführen muss, ein gern kontrollierter Punkt mit entsprechender Strafgebühr bei Warndreieckzahl < 2. Das malawische (und auch in anderen afrikanischen Ländern) übliche Warndreieck sind allerdings grün belaubte Zweige (nur für Inländer natürlich), die, anders als Geld kostende Dreiecke, nach Behebung einer Panne oder eines Unfalls liegengelassen werden. Es ist an unübersichtlichen Stellen also immer ein Vabanque-Spiel, bei Zweigen auf der Straße nicht langsam zu fahren. Hier nun ist ein LKW teilweise von der Straße abgekommen und ziemlich beschädigt. Es ist auch schon ein Menschenauflauf da, helfen können wir eh nicht, also geht es langsam weiter, bis wir wieder im Tal sind. Jetzt aber Tempo. Denkste! Die nun folgende Straße ist von Schlaglöchern übersäht, die wir nur langsam umkurven können.

Und so kommt es wie es kommen muss: es wird dunkel. Unser Ziel ist der nach i Overlander schönste kleine Campsite direkt am Südufer des Sees, am Cape MacLear. Was in der App nicht steht, ist, dass der (unbefestigte) Weg direkt durch das Fischerdorf Chembe geht, auf engsten Gassen selbstverständlich. Das ist mit unserem LKW, besonders im Dunklen, eine echte Herausforderung, ich muss des Öfteren die Außenspiegel ranklappen, damit wir durchpassen. Die Fotos sind bei Rückfahrt im Hellen aufgenommen:


Belohnt werden wir dann durch den traumhaften Strand-Stellplatz, den wir erreichen, nachdem wir uns noch zwischen einer Mauer und Lodge-Gebäuden durchgequetscht haben. Erst am nächsten Morgen können wir diesen Platz genießen.


Hurra, Badeklamotten an und hinein ins kühle Nass! Äh, stopp. Hier gibt es nicht nur tolle Tropenfische, viele Arten endemisch, also nur im Malawi-See vorkommend, sondern auch die niedlichen Larven des Saugwurms Schistosoma haematobium, die Schistosomiasis oder Bilharziose auslösen, eine chronische Blasen- und Harnwegsinfektion. (Es soll entlegene Dörfer geben mit nahezu 100%iger Durchseuchung, wo die Menschen denken, roter Urin sei normal und jemand mit gelbem Urin krank.) Ein netter junger Mann, mit dem wir eine Katamaran-Fahrt unternehmen, meint, das sei doch kein Problem, er bekomme vom Staat zweimal im Jahr zwei Tabletten. Na besten Dank, da wir baden lieber nicht und springen auch nicht mit Taucherbrille von Bord. Immerhin gibt es einen toll gelegenen Pool, von dem aus man zumindest den herrlichen Ausblick genießen kann.



Die Katamaran-Fahrt macht großen Spaß, die Ausblicke sind wunderbar. Mit Pfiffen und kleinen Fischen, die er in den See wirft, lockt er Seeadler an, die akrobatisch die Fische aus dem Wasser holen.



Wie wir vom Wasser aus sehen, gibt es einige sehr schön und modern aussehende Lodges direkt am Wasser, wie auch unsere mit ihrem winzigen Campingplatz (1 Fahrzeug am Wasser, eins weiter zurück).


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Der Tourismus ist hier trotzdem sehr bescheiden, die Menschen leben vom Fischfang.


Das Dorf Chembe, durch das ich schlendere, ist ein eher ärmlich wirkendes Fischerdorf, allerdings nicht von einer extremen Armut gekennzeichnet, wie es meinen oben genannten Erwartungen für dieses Land entsprechen würde (dazu weiter unten). Draußen vor den Gebäuden sieht man Fischer Netze flicken, Schneider an Nähmaschinen arbeiten, Open Air Kleider und vieles mehr. Auch der in der Hitze auf Gestellen präsentierte Fisch ist wahrlich verlockend ;-)







Nach zwei erholsamen Tagen geht es jetzt an der Küstenstraße des großen Sees entlang gen Norden. Bei dieser Fahrt fallen uns mehrere Dinge auf. Erstens sieht man an und auf den Straßen überall Menschen, keine Ahnung wo die alle hinlaufen, das kleine Land ist mit über 20 Millionen Einwohnern sehr dicht besiedelt. Mal eben irgendwo hinter den Busch pinkeln geht gar nicht, da sind dann mindestens schon drei Leute. Auch sehen wir ständig Kinderscharen, ab Schulalter dann in Uniformen, auf dem wohl oft langen Fußmarsch zu oder von der Schule.

Zweitens ist hier neben überladenen Lastern, wie auch schon in Zambia, das Fahrrad das prägende Verkehrs- und Transportmittel. Ich komme nach wie vor aus dem Staunen nicht heraus!






Drittens erscheinen die Menschen und ihre Dörfer wie auch Chembe ärmlich, aber weder verwahrlost, noch wirken die Menschen bitter arm. Es gibt überall kleine Läden für den lokalen Bedarf, ansonsten herrscht wohl im Wesentlichen eine Subsistenz-Landwirtschaft, die wir überall sehen können und die den Menschen zu genügen scheint.


Reis trocknen, auf Planen oder einfach am Straßenrand

Holzkohle-Verkauf

Ich frage mich, mangels Kenntnissen in vergleichender Ökonomie, ob in den UN Daten zum Pro-Kopf-Einkommen und anderen Parametern zur Armutsdarstellung solche, den lokalen Bedürfnissen möglicherweise genügenden Subsistenzwirtschaften abgebildet sind. Also summa summarum: als reisenden Gästen erscheint uns Malawi lange nicht so bedrückend arm und katastrophal, wie wir es uns zuvor ausgemalt haben.

Nach dem Eindruck beim Reisen und auch Auskünften von Malawiern leben Muslime und Christen friedlich miteinander, oft befinden sich Kirchen und Moscheen direkt auf gegenüberliegenden Straßenseiten.


Auch interessante Gesundheitseinrichtungen mit pragmatischen Losungen sind zu sehen.

Unser Ziel ist die am See gelegene Nkhotakota Safari Lodge, etwas südlich der gleichnamigen Stadt, von der Hauptstraße nur kurze 4 km entfernt, wie wir meinen. Die raue Piste erweist sich mit dem Laster allerdings als grenzwertig, eng schaukeln wir zwischen Bäumen hindurch und sind froh, ohne Schaden anzukommen. Der Platz direkt am Wasser ist malerisch, das abendliche Curry lecker.

Der nächste Tag führt uns weiter in den Norden, obwohl wir auf der Hauptstraße sind, gibt es abenteuerliche Brücken, die wir mit einem Stoßgebet überfahren.

Unser Ziel ist heute Mzuzu, eine große Stadt inmitten der nördlichen intensiven Landwirtschaft, die Straße passend dazu neu und großzügig, auch im Weiteren ist der Kampf gegen Schlaglöcher offenkundig.

In Mzuzu finden wir das herrliche Macondo Camp mit sehr malerischem Restaurant, zentral und trotzdem ruhig gelegen, alles von einem Italiener gestaltet, was man sowohl an den zahlreichen Weinflaschen als auch an der exzellenten italienischen Küche merkt.




Die weitere Fahrt durch die nördliche Landwirtschaft zeigt uns Gummibaum- und Tabak-Plantagen, wie wir hören, machen die Antiraucher-Kampagnen mit Umsatzrückgang wohl zu schaffen.



Unser letztes Camp in Malawi ist die Mikomo Beach Lodge, eigentlich ohne Campingplatz, aber mit einer schönen Wiese nahe am Wasser, wo wir stehen können. Wir bekommen den Schlüssel zu einem Lodge Zimmer, um die Sanitäranlagen zu nutzen. Ein nettes Plätzchen.



Am nächsten Morgen erreichen wir die Songwe Grenzstation zu Tanzania, hier stehen in langen Schlangen Tank-LKW´s, der Sprit-Engpass soll wohl behoben werden. 

 

Unsere Route 9. bis 14. Mai 2023 (1182 km)






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